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Das Leben des lingerianischen Botschafters war nicht besonders turbulent. Solange der plötzliche Regierungssturz nicht in Aussicht war, durfte sich Seine Exzellenz Babadou Okawango neben dem erstklassigen Mercedes, einer langen Reihe von Armani Anzügen und einem stattlichen Konto in der Schweiz auch einige Fehler leisten, die bis jetzt keinen bedeutenden Einfluss auf den beruflichen Teil seines Lebenslaufs hatten. Jede Hektik oder Verwirrung war diesem ehrenwerten Staatsmann so gut wie fremd, kein Wunder also, dass die Botschaft, theoretisch von neun Uhr morgens geöffnet, in Wirklichkeit erst gegen Mittag die ersten Anzeichen neuerwachten Lebens zeigte.
Jeden Tag , mehr oder weniger pünktlich um dreizehn Uhr, bekam Babadou Okawango ein Kännchen Kaffee und genau drei Milchbrötchen auf einem silbernen Tablett serviert. Fünf Minuten danach (mit einer Abweichung von ungefähr dreißig Minuten) reichte ihm sein Sekretär einen fast kompletten Auszug aus den aktuellen Nachrichten und allen Presseartikel, die Lingeria betrafen. Seltene Fälle, in denen Seine Exzellenz genug Ausdauer zeigte, um das ganze vorbereitete Material durchzulesen, lieferten ihm die Chancen, seine unansehnlichen Fehler zu begehen. Alles in allem war die lingerianische Botschaft eine ruhige Insel auf dem stürmischen Meer der Diplomatie.
An diesem Montag war der Tagesablauf ganz üblich, zumindest bis dreizehn Uhr zwanzig. Der Sekretär betrat das Kabinett mit der üblichen Portion Papier, legte die Presseausschnitte auf dem riesigen Mahagonischreibtisch, zeigte dem Botschafter diskret einen - seiner Meinung nach - interessanten Artikel aus dem "Berliner Feigenblatt" mit dem Titel "Fußballgesicht des Rassismus" und verließ schweigend das Zimmer. Fünfzehn Minuten später gehörte die himmlische Ruhe lingerianischer Botschaft der Vergangenheit an. Von der Tür des Kabinetts her ertönte etwas zwischen dem Gebrüll eines verwundeten Elefanten und dem Wutgeheul eines ganzen Wolfsrudels. Der Sekretär zerdrückte rasch in Panik eine heimlich gerauchte Zigarette und stürmte in das Zimmer des Botschafters.
Babadou Okawango, ohne Jacke und ohne Krawatte, tanzte auf dem frisch gewachsten Parkett einen Kriegestanz der Tussi. Seine Augen fixierten irgendeinen geheimnisvollen Punkt, vermutlich in einer anderen Wirklichkeit, so dass er den plötzlichen Einfall seines Sekretärs überhaupt nicht registrierte. Aus seinem lallenden Gemurmel konnte man nur die einzelnen Wörter herausfischen. "Fußball", "Tod", "Ehre", "unbesiegbar"... Der Sekretär seufzte tief in Vorahnung eines nächsten, diesmal vielleicht nicht so unbedeutenden Fehlers.

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