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Der neue UNO Generalsekretär fühlte sich auf seinem Stuhl noch nicht ganz wohl. Seit er diesen Posten übernommen hatte, wurde er ständig mit Kofi Annan oder Dag Hammarskjöld verglichen, und das tat seinem Selbstwertgefühl überhaupt nicht gut. Wenn er aber dieses absurde Missverständnis zwischen Lingeria und Deutschland klären könnte, würde es ihm bestimmt viel Anerkennung bringen. Es war seine große Chance, in der Geschichte der Menschheit einen würdigen Platz zu nehmen, und er wollte sie nicht vermasseln.
Vom stundenlangen Telefonieren tat ihm sein Ohr schon weh, und das bevorstehende Gespräch mit der Bundeskanzlerin versprach auch nicht das kürzeste oder einfachste zu werden. Der lingerianische Präsident, mit dem er heute schon dreimal telefonierte, war ein cleverer Bursche und ein harter Gegner. Und verhandeln konnte er wie ein Phönizier. Mein Gott, war das Leben eines Weltbeamten kompliziert! Die Menschheit hat von ihren Vertretern nicht gerade wenig verlangt.
Er atmete tief auf und nahm den Hörer in die Hand.
- Frau Bundeskanzlerin, – sprach er mit einer überraschend starken Stimme – der lingerianische Präsident hat sich als sehr zuvorkommend erwiesen. Sein Land wäre bereit, die Kriegserklärung zurückzuziehen, allerdings unter einigen Bedingungen. Dazu gehören vor allem die Reparationen in Höhe von 3 Milliarden Euro, weiterhin, als Entschädigung für moralische Schäden, die öffentliche Erklärung der deutschen Regierung zur Überlegenheit des lingerianischen Fußballs und, last but not least, Jürgen Klinsmann als Trainer der lingerianischen Nationalmannschaft.
- Herr Generalsekretär, - die Bundeskanzlerin schien zu ersticken – ich kann es einfach nicht glauben! Welche Reparationen? Wissen Sie vielleicht etwas über irgendwelche Kriegsaktivitäten ,die faktisch statt gefunden haben? Jürgen Klinsmann nach Lingeria zu schicken? Abgesehen davon, dass es uns unsere Bürger nie verzeihen würden, sind wir doch keine Sklavenhändler. Und diese Erklärung – ich bitte Sie! Bei allem Respekt für die dritte Welt können wir Fußball, na ja, sagen wir, nicht schlechter spielen! Glauben Sie denn, Deutschland hätte gar keinen Nationalstolz?
Der Generalsekretär gab sich Mühe, um nicht laut zu lachen. Menschen waren manchmal sehr komisch. Diese hoch beschäftigte Frau wird jetzt viel Zeit vergeuden um ihn zu überzeugen, dass sie nicht machen konnte, was sie am Ende sowieso machen musste. Sie lebte doch in der gleichen politischen Realität wie er, sie müsste eigentlich wissen, wie der Ausgang werden würde . Der deutsche Staat wird das verlangte Geld auslegen, um seine Position in der dritten Welt nicht zu gefährden, vielleicht nicht die ganzen 3 Milliarden, aber immerhin. Natürlich wird niemand einen Krieg erwähnen, wozu denn? Man wird einen plausiblen Grund für die Zahlung schon finden. Herr Klinsmann wird sich im Dienste des Vaterlands von der kalifornischen Sonne verabschieden müssen und unter die ebenso heiße lingerianische Sonne ziehen. Nur die Entschuldigungen und Erklärungen werden allen wahrscheinlich erspart bleiben. Daran schien dem lingerianischen Präsidenten nicht wirklich viel zu liegen, es war nur die Verhandlungsbasis.
Diesmal versuchte er seine Stimme müde klingen zu lassen, als er seiner hochintelligenten Gesprächspartnerin eine Handvoll Selbstverständlichkeiten wie einem kleinen Kind erklärte.

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